Mehr als eine Million Menschen werden hierzulande von ihren Angehörigen zu Hause gepflegt. Gäbe es diese helfenden Hände nicht, wäre das System Pflege längst zusammengebrochen. Da diese Angehörigen zusätzlich oft auch noch Familie und Job unter einen Hut bekommen müssen, kann die Pflege eines nahestehenden Menschen zur echten Belastungsprobe werden. In der Regel sind es die eigenen Kinder, Geschwister, Partner oder Bekannte des pflegebedürftigen Menschen, die diese Mammutaufgabe täglich meistern.
Neben den eigentlichen pflegerischen Tätigkeiten fallen in der häuslichen Pflege viel Papierkram und die Hausarbeit an. Um diesen anspruchsvollen Aufgaben gerecht zu werden, benötigen die Angehörigen in vielen Fällen umfassendes Pflegewissen. Das reicht von A wie “Anziehen des Pflegebedürftigen” über M wie “Medikamente verabreichen” bis hin zu Z wie “Zähneputzen”. Lesen Sie hier die wichtigsten Informationen zum Thema Pflegewissen für Angehörige.
Arbeitszeit kürzen: Pflege möglich machen
Tritt ein Pflegefall in der Familie ein, werden pflegende Angehörige aus ihrem gewohnten Alltag herausgerissen. Plötzlich müssen sie neben Job und Familie noch die Pflege der Mutter oder des Vaters in den Alltag integrieren. Da ist es tröstlich zu wissen, dass das Gesetz bestimmte Rahmenbedingungen für die Angehörigen bereithält, um dieser Herausforderung gerecht zu werden. Hier gilt:
- Angehörige können bis zu sechs Monate freigestellt werden, um die Pflege von Pflegebedürftigen zu gewährleisten. Die Pflegezeit kann nur einmal zusammenhängend in Anspruch genommen werden. Eine Aufteilung der sechs Monate ist nicht möglich. Alternativ kann man die Arbeitszeit absenken.
- Der Arbeitgeber muss davon mindestens zehn Tage vorher in Kenntnis gesetzt werden.
- Der Anspruch auf Freistellung gilt ab Pflegegrad 1 und nur für Angestellte, die in einem Unternehmen mit mindestens 16 Mitarbeitern tätig sind.
- Bei einem plötzlichen Pflegefall dürfen Betroffene bis zu zehn Arbeitstage auf Arbeit fehlen, um auf die Schnelle das Wichtigste für den Pflegebedürftigen zu regeln.
- Zahlt der Arbeitgeber in dem Fall nicht, kann ein (auf bis zu zehn Tage angelegtes) Pflegeunterstützungsgeld beantragt werden.
- Neben dem Pflegezeitgesetz können pflegende nahe Angehörige auch Freistellungen nach dem Familienpflegezeitgesetz in Anspruch nehmen. Die Gesamtdauer aller Freistellungsmöglichkeiten beträgt zusammen höchstens 24 Monate. Dabei bekommt der Angehörige 75 Prozent seines Monatslohns.
- Nahe Angehörige können die Freistellungen auch parallel oder nacheinander in Anspruch nehmen und sich so die Pflege partnerschaftlich teilen.
- Beschäftigte haben einen Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit. Das heißt, sie können sich für einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten (bei einer Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden im Durchschnitt eines Jahres) teilweise für die Pflege in häuslicher Umgebung eines Pflegebedürftigen nahen Angehörigen (Pflegegrade 1 bis 5) freistellen lassen.
- Der Rechtsanspruch findet nur Anwendung gegenüber Arbeitgebern mit mehr als 25 Beschäftigten ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten.
- Die Ankündigungsfrist für die Freistellung beträgt acht Wochen.
- Zum Ausgleich müssen die Angehörigen später wieder voll arbeiten, bekommen dann aber weiterhin nur 75 Prozent des Gehalts – so lange, bis der Vorschuss nachgearbeitet ist.
Wo können pflegende Angehörige sich beraten lassen?
Wenn man plötzlich mit dem Thema Pflege in Berührung kommt, kann das zunächst eine Überforderung sein. Schließlich betritt man als pflegender Angehöriger meist gänzlich neues Terrain. Daher ist es in jedem Fall sinnvoll, sich Informationen von Fachleuten einzuholen. Folgende Stellen geben Ihnen kostenlos darüber Auskunft, was Sie im Zusammenhang mit der häuslichen Pflege Ihres Angehörigen wissen müssen:
- Die kostenlose Pflegeberatung der Pflegekasse für gesetzlich Versicherte und für privat Versicherte gibt es die compass Pflegeberatung
- Die kostenlose Pflegeberatung von Wohlfahrtsverbänden wie der Caritas
- Der Hausarzt / die Hausärztin oder der Facharzt / die Fachärztin sowie die behandelnde Klinik (informieren zu Erkrankungen des Pflegebedürftigen)
- Das Bürgertelefon des Bundesgesundheitsministeriums: 030 / 340 60 66 – 02 (Montag bis Donnerstag von 8 bis 18 Uhr, Freitag von 8 bis 12 Uhr)
- Beratung bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland
Finanzielle Hilfe – Pflegegeld, Entlastungsbetrag, Pflegesachleistungen
Bei der Pflegekasse kann im Pflegefall Pflegegeld beantragt werden. Die Höhe des Pflegegelds richtet sich nach dem jeweiligen Pflegegrad. Da die Pflegekasse als Trägerin der gesetzlichen Pflegeversicherung der zuständigen Krankenkasse angegliedert ist, können Sie den Antrag bei der Krankenkasse des Pflegebedürftigen stellen.
Um den Pflegegrad und damit die Stärke der Beeinträchtigung zu bestimmen, kommt eine Gutachterin oder ein Gutachter des Medizinischen Dienstes vorbei und macht sich ein persönliches Bild vom Pflegebedürftigen. Bei privat Versicherten kommt der Medicproof vorbei. Anhand verschiedener Kriterien wie Mobilität, den kommunikativen Fähigkeiten, der Orientierungsfähigkeit und der Art der Erkrankung(en) wird geschaut, inwieweit die Eigenständigkeit der Person eingeschränkt und welche Hilfe erforderlich ist. Anhand einer festen Punkteskala wird dann letztlich der entsprechende Pflegegrad zugeordnet.
Es gibt fünf Pflegegrade, die früher Pflegestufen hießen. Das Pflegegeld – eine Art Aufwandsentschädigung für pflegende Angehörige oder andere ehrenamtliche Pflegehelfer – wird ab Pflegegrad 2 monatlich an den Pflegebedürftigen ausgezahlt:
- 316 Euro für Pflegegrad 2 (leichtere Beeinträchtigungen)
- 545 Euro für Pflegegrad 3
- 728 Euro für Pflegegrad 4
- 901 Euro für Pflegegrad 5 (schwerste Beeinträchtigungen)
(Anmerkung: Zum 1. Januar 2024 steigen die Beträge um 5 Prozent)
In Pflegegrad 1 gibt es lediglich einen Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro. Dieser Entlastungsbetrag, der, wie der Name schon sagt, der Entlastung des oder der pflegenden Angehörigen dienen soll, kommt bei den anderen Pflegegraden noch zum Pflegegeld dazu. Er wird aber nur gezahlt, wenn auch wirklich eine entsprechende entlastende Maßnahme eingesetzt wurde. Diese muss zunächst privat finanziert werden, wird dann bei Einreichung der Rechnung aber in Höhe von 125 Euro erstattet. Möglichkeiten, diese Zahlung zur Entlastung einzusetzen, sind:
- Verhinderungspflege: Hier wird das Geld dazu eingesetzt, für einen befristeten Zeitraum eine externe Pflegekraft zur Betreuung einzusetzen.
- Tages- und Nachtpflege: Dabei findet die Entlastung des Angehörigen durch eine teilweise Versorgung in einer stationären Einrichtung statt.
- Kurzzeitpflege: Auch hier wird der Pflegebedürftige für eine gewisse Zeit stationär versorgt.
- Haushaltshilfe: Die Entlastung des pflegenden Angehörigen erfolgt im Bereich der Hausarbeit. Es wird eine externe Hilfskraft eingesetzt. Unterstützung gibt es somit beispielsweise beim Einkaufen, beim Schriftverkehr, auf Wegen, beim Wäschewaschen oder bei der Wohnungsreinigung. Sie wird aber nur gewährt, wenn keine andere Person im Haushalt diese Aufgaben übernehmen kann.
Soll zur Pflege ein ambulanter Pflegedienst eingesetzt werden, zahlt die Pflegekasse nach Antragstellung die sogenannten Pflegesachleistungen. Dieses Geld fließt direkt an den jeweiligen Pflegedienst, der eine professionelle Pflegekraft zur Verfügung stellt (beispielsweise die örtliche Diakoniestation). Zu diesen Leistungen zählen neben den pflegerischen auch die hauswirtschaftlichen Tätigkeiten. Die Höhe der Pflegesachleistungen richtet sich nach dem jeweiligen Pflegegrad:
- 724 Euro für Pflegegrad 2
- 1.363 Euro für Pflegegrad 3
- 1.693 Euro für Pflegegrad 4
- 2.095 Euro für Pflegegrad 5
Eine dritte Möglichkeit der Pflege ist die Kombination aus privat organisierter Pflege durch Angehörige und Pflegedienst. In diesem Fall werden Pflegesachleistung und Pflegegeld miteinander kombiniert und jeweils anteilig ausgezahlt (Kombinationsleistung). Denn weder der Betrag für die Pflegesachleistungen noch das Pflegegeld werden vollends in Anspruch genommen.
Weitere finanzielle Hilfen im Pflegefall
Neben dem Pflegegeld und den Pflegesachleistungen können an verschiedenen Stellen weitere finanzielle Hilfen beantragt werden, zum Beispiel:
- Unterstützung für den Umbau von Wohnraum (bis zu 4.000 Euro)
- monatlicher Betrag für pflegerische Verbrauchsprodukte von bis zu 40 Euro (wie Einmalhandschuhe, Betteinlagen)
- Zuschüsse zu technischen Pflegehilfsmitteln
- möglicherweise Erstattung von Gehhilfen und Rollstühlen durch die Krankenkasse
- Ausleihen von größeren technischen Pflegehilfsmitteln (z. B. Rollator, Gehhilfe, Rollstuhl, Pflegebett)
- Zuzahlungsbefreiung von Medikamenten oder dem Eigenanteil Krankenhaus sowie von Kosten für Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie
- Zuschuss zu “Essen auf Rädern” (Antrag beim Amt für Soziale Dienste)
- ggf. Schwerbehinderung beantragen
- ggf. Blindengeld beantragen
- ggf. Befreiung von Rundfunkgebühren
- Zuschuss zur Gründung einer Wohngruppe oder Senioren-WG
- Zuschuss für die Finanzierung einer Organisationskraft einer Wohngruppe oder Senioren-WG
Grundpflege und Behandlungspflege: Was ist der Unterschied?
Die Grundpflege umfasst alle Aufgaben, die bei der Versorgung des Pflegebedürftigen täglich anfallen. Dazu gehören etwa die Körperpflege, die Nahrungsaufnahme, Bewegungsmaßnahmen und die Förderung von Eigenständigkeit sowie der kommunikativen Fähigkeiten.
Mit Behandlungspflege ist hingegen die Durchführung medizinischer Behandlungen bei einer Erkrankung des Pflegebedürftigen gemeint. Sie darf nur von speziell geschulten Fachkräften auf ärztliche Anordnung erfolgen. Für medizinische Behandlungen übernimmt die Krankenkasse die Kosten. Zu diesen Leistungen zählen das Austauschen von Verbänden ebenso wie das Anziehen von Kompressionsstrümpfen, das Setzen von Spritzen oder die adäquate Versorgung von Wunden oder Ports (dauerhafte Venenzugänge).
Welche Aufgaben gibt es in der Pflege ganz konkret?
Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, wie viele Aufgaben mit der Pflege eines Menschen einhergehen können. Um einen Einblick in die Vielschichtigkeit und die Vielzahl pflegerischer Aufgaben zu bekommen, gibt es daher an dieser Stelle eine Liste mit den wichtigsten Tätigkeiten:
- Unterstützung beim Aufstehen, beim Gehen und Hinsetzen
- Begleitung beim An- und Ausziehen
- Hinlegen und Anheben des Pflegebedürftigen
- Verabreichung der Medikamente
- Maßnahmen zur Körperpflege: Zähneputzen, Waschen (auch Intimreinigung), Rasieren
- Begleitung bei Toilettengänge
- Begleitung auf allen möglichen Wegen (z. B. Behörden)
- Diverse Hausarbeiten: Waschen, Einkaufen
- Zubereitung von Mahlzeiten
- Hilfe bei der Nahrungsaufnahme
- Aktive Freizeitgestaltung (soziale Aktivitäten)
Pflegekurse: Mit professionellem Pflegewissen zu guter Pflege
Gerade wenn es um die Liebsten geht, ist nur das Beste gut genug. Daher möchte man als Angehöriger dem pflegebedürftigen Menschen auch die bestmögliche Pflege zukommen lassen. Um in Sachen Pflege richtig fit zu werden und seine Sache gut zu machen, können Angehörige kostenlose Pflegekurse besuchen. Diese werden sowohl von den Pflegekassen als auch von den Sozialstationen oder den Volkshochschulen angeboten. Vorteile dieser Kurse: Neben dem Erwerb von praktischem Pflegewissen aus erster Hand kann man mit anderen pflegenden Angehörigen in Kontakt treten und sich in dieser besonderen Situation austauschen. Das wird von den Betroffenen oft als emotionale Erleichterung erlebt.
Folgende Themen können Gegenstand eines Pflegekurses sein:
- Richtige Hygiene
- Umgang mit Bettlägerigkeit (richtige Lagerung)
- Hebetechniken
- Was ist bei der Nahrungsaufnahme zu beachten?
- Sturzvermeidung
- Rechtliche Grundlagen der häuslichen Pflege
- Selbstachtsamkeit (Schutz vor Überlastung)
- Spezialkurse wie Pflege von Menschen mit Demenz
Ist eine Pflege Zuhause möglich? – Wohnraumanpassungen
Es ist schön, wenn die pflegebedürftige Person weiterhin in den vertrauten vier Wänden bleiben kann. Doch um ihre Sicherheit zu gewährleisten, muss vorab geschaut werden, ob der Wohnraum ihren Anforderungen genügt. In vielen Fällen müssen bauliche Veränderungen vorgenommen werden. Folgende Fragen können sich Pflegebedürftige und deren Angehörige beim aufmerksamen Gang durch das Zuhause stellen:
- Braucht die pflegebedürftige Person einen Treppenlift?
- Sollten die Türrahmen verbreitert werden?
- Muss das Bad barrierefrei umgestaltet werden, vor allem im Hinblick auf eine ebenerdige Dusche?
- Gibt es sonstige Hindernisse, die zu Stürzen oder anderen Unfällen führen können wie Türschwellen, hervorstehende Kanten, Teppiche, Kabel oder ungeeignete Hausschuhe?
Für bauliche Veränderungen im Haus oder in der Wohnung des Pflegebedürftigen wird von den Pflegekassen ein einmaliger Zuschuss von bis zu 4.000 Euro ausgezahlt.
Vorsicht vor Überlastung in der Pflege: Auch an sich denken
Allzu leicht kann es passieren, dass man aus lauter Fürsorge um den geliebten Menschen über die eigenen Grenzen hinausgeht. Daher ist es wichtig, sich zwischendurch auch immer bewusst um sich und die eigenen Bedürfnisse zu kümmern. Kleine Auszeiten zum Verschnaufen müssen einfach sein.
Wenn man als pflegender Angehöriger einmal eine Auszeit braucht, gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, über die Verhinderungspflege zeitweise Entlastung zu finden. Neben der Unterstützung durch einen ambulanten Pflegedienst (Kombinationsleistung) oder eine Haushaltshilfe ist es vielleicht auch möglich, das Ruder einmal an andere Angehörige oder nahestehende Menschen zu übergeben oder die anfallenden Aufgaben auf mehreren Schultern zu verteilen. Dem pflegebedürftigen Menschen und auch Ihnen ist jedenfalls nicht geholfen, wenn Sie vor Erschöpfung zusammenbrechen. Daher holen Sie sich bitte rechtzeitig Unterstützung, wenn Sie das Gefühl haben, Ihnen wird alles zu viel.
Präsentiert in Partnerschaft mit der vigo Krankenversicherung.
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