In Deutschland sind rund 1,7 Millionen Menschen in Pflegeberufen tätig. Was viel klingt, ist dennoch zu wenig. Der Fachkräftemangel im Bereich der Pflege ist dramatisch und wird in Zukunft noch dramatischer sein. Gleichzeitig wird die Zahl der Pflegebedürftigen weiter steigen.
Laut Hochrechnungen des Barmer Pflegereports 2021 wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen von aktuell 4,6 Millionen Menschen auf rund 6 Millionen im Jahr 2030 erhöhen. Bei konservativen Annahmen würden dann mehr als 180.000 Pflegekräfte fehlen. Ein Umdenken in der Politik sowie ein stärkeres Bewusstsein in der Bevölkerung sind nötig. Der Pflegenotstand ist eines der drängendsten Probleme unserer Zeit.
Der Pflegenotstand ist eines der drängendsten Probleme unserer Zeit. Die Frage ist: Was können wir tun, um das Gesundheitssystem im Bereich der Pflege zu verbessern? Wie können wir sicherstellen, dass pflegebedürftige Menschen optimal versorgt werden?
Oberstes Ziel muss es sein, die Pflege so zu gestalten, dass Menschenwürde, Selbstbestimmung, Aktivität und soziale Integration auch im Alter weitestgehend erhalten bleiben. Um das Gesundheitssystem im Bereich der Pflege zu verbessern, braucht es eine Veränderung des Status Quo auf vielen Ebenen. Zwar wurden bereits viele Hebel betätigt, viele Ideen gedacht. Doch es braucht mehr davon und eine schnellere Umsetzung guter Projekte.
1. Wir brauchen mehr Pflegekräfte
Um die hohe Zahl an Pflegebedürftigen adäquat zu versorgen, braucht es genügend gut ausgebildete Pflegekräfte. Dazu müssten sich mehr junge Menschen für eine Ausbildung in der Pflege entscheiden. Um das Berufsbild attraktiver zu machen, könnten seitens der Politik zielgerichtete Kampagnen geschaltet werden.
Ein weiterer Weg, um mehr Personal zu gewinnen, ist, entsprechend qualifizierte Menschen aus dem Ausland anzuwerben und ihnen den Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen. Hier gibt es bereits Bemühungen seitens der Politik für erleichterte Einreisebedingungen sowie für eine leichtere Arbeitsaufnahme von Pflegekräften aus dem Ausland. Auch wurden bereits mehr finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, um mehr Pflegestellen in den Einrichtungen besetzen zu können (Gesetz zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung).
2. Pflegekräfte brauchen eine bessere Bezahlung
Damit sich mehr junge Menschen für den Pflegeberuf entscheiden, braucht es ein Gehalt, das den Anforderungen im Alltag einer Pflegekraft angemessen ist. Ein leistungsgerechtes Gehalt ist die Grundvoraussetzung dafür, dass mehr junge Menschen eine Ausbildung in der Pflege in Erwägung ziehen.
3. Pflegekräfte müssen mehr Anerkennung bekommen
Neben einem attraktiveren Gehalt ist es aber auch wichtig, dass der Pflegeberuf insgesamt mehr gesellschaftliche Anerkennung bekommt. Die enormen Leistungen des einzelnen sollten mehr gewürdigt werden. Vielleicht ist dabei die Vorstellung hilfreich, dass man selbst alt ist und nicht mehr allein zurechtkommt. Wenn man feststellt, dass es niemanden gibt, der sich um einen kümmert, löst das ein flaues Gefühl im Magen aus! Bei dieser Vorstellung wird einem bewusst, wie wichtig ein gut funktionierendes Fürsorgesystem ist.
Einen wichtigen Beitrag zu mehr Wertschätzung des Pflegeberufes soll das Pflege-Netzwerk Deutschland leisten. Dieses hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Austausch von Pflegekräften zu fördern, um bei Bedarf Arbeitsbedingungen zu verbessern und die gesellschaftliche Anerkennung des Pflegeberufs aktiv zu verbessern.
4. Arbeitsbelastung muss reduziert werden
Pflegekräfte sind die Berufsgruppe, die die meisten Krankentage im Jahr zu verzeichnen haben. Im Jahr 2020 waren Altenpflegekräfte im Schnitt 24,8 Tage pro Jahr krank, in anderen Berufsgruppen waren es lediglich durchschnittlich 14,6 Tage. Kein Wunder: Der Job ist von Zeitdruck und harter körperlicher Arbeit geprägt. Auch in mentaler Hinsicht ist er herausfordernd.
Damit sich mehr Menschen den Pflegeberuf vorstellen können und dauerhaft in ihrem Job zufrieden sind, muss es hier also zu Veränderungen kommen. Die viele Arbeit muss auf mehrere Schultern verteilt werden, sodass der einzelne entlastet wird und nicht so schnell krank wird. Dies gelingt nur durch eine entsprechend dicke Personaldecke. Hier gibt es erste Bemühungen seitens der Politik. Sie hat den finanziellen Rahmen erweitert, um beispielsweise in den Pflegeheimen mehr Pflegekräfte einstellen zu können.
5. Es muss mehr Zeit für den einzelnen Menschen zur Verfügung stehen
Satt und sauber – das kann nicht alles sein. Wir Menschen brauchen mehr zum Leben. Neben geistigem Input ist das vor allem emotionale Zuwendung. Doch von dieser Art der menschlichen Zuwendung gibt es aktuell viel zu wenig. Daher sind viele Menschen in den Pflegeheimen einsam, weil die wenigen Mitarbeitenden nur Zeit für die allernötigsten Aufgaben haben. Die individuelle Betreuung kommt viel zu kurz. Auch hier könnte eine personelle Aufstockung bereits vieles bewirken. Pflegekräfte hätten dann Zeit, um mit den Menschen zu singen oder ihnen andere Möglichkeiten der geistigen Anregung zu geben.
6. Einsatz moderner Technologien: Roboter, Apps, Künstliche Intelligenz
Um den Pflegekräften in den Heimen mehr Entlastung zu bieten, könnten wir verstärkt auf moderne Technologien zurückgreifen. Stichwort E-Health. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (z. B. Roboter, andere Anwendungen), um medizinische Behandlungen durchzuführen, Patienten zu überwachen oder bei der Betreuung auszuhelfen, ist ein vielversprechender Ansatz, um die Situation in der Pflege zu verbessern.
Es gibt zum Beispiel bereits Roboter, die diverse Unterhaltungsprogramme anbieten. Die Palette reicht vom gemeinsamen Singen bis hin zum gemeinschaftlichen Lösen von Rätseln. Andere Roboter wiederum können Pflegende bei körperlich anspruchsvollen Aufgaben wie dem Heben oder Drehen eines pflegebedürftigen Menschen unterstützen. Auch können sie bereits Hilfsarbeiten – wie das Verbandwechseln – durchführen.
Roboter und andere Formen künstlicher Intelligenz könnten auch eingesetzt werden, um pflegebedürftige Menschen zu „überwachen“. So gibt es beispielsweise Programme, die erfassen können, ob ein Patient an einem Tag überhaupt das Bett verlassen hat oder ob ein Mensch gestürzt ist oder droht zu stürzen. In der Robotik und sonstigen Technologien der künstlichen Intelligenz liegt ein großes Potenzial. Ein Potenzial, dem (noch) viel zu wenig Beachtung geschenkt wird.
Ebenso können Gesundheits-Apps von den Pflegebedürftigen selbst eingesetzt werden, um sich aktiv an der Überwachung oder Behandlung ihrer Gesundheit zu beteiligen. Es gibt bereits medizinische Anwendungen („DIGAs“: digitale Gesundheitsanwendungen in Form von Apps zum Beispiel) mit dem Ziel der selbstständigen Gesundheitsüberwachung. Hier können Pflegebedürftige eine chronische Erkrankung ein Stück weit selbst managen, zum Beispiel, indem sie an ihre täglichen Medikamente erinnert werden. Die DIGAs können aber auch Betroffenen mit einer psychischen Erkrankung geeignete Therapien vorschlagen.
Ähnliches gibt es für den Bereich Pflege. Die digitalen Pflegeanwendungen („DiPAs“) helfen zum Beispiel dabei, den derzeitigen Gesundheitszustand eines Pflegebedürftigen aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern. So können Patienten mit bestimmten Apps beispielsweise gezielte Übungen zur Kräftigung der Muskulatur durchführen, um ihr Sturzrisiko zu senken. Mit anderen Programmen wiederum ist es möglich, das Gedächtnis spielerisch zu trainieren, was etwa Menschen mit Demenz zugutekommt.
7. Digitalisierung rasch voranbringen
Zur Entlastung der Pflegekräfte im Bereich der Verwaltung könnte eine rasche Digitalisierung des Pflegesystems beitragen. Denn aktuell verbringen Pflegekräfte deutlich mehr Zeit mit Verwaltungsaufgaben wie mit Arztbriefen oder der Pflegedokumentation als mit dem Menschen. Neben elektronischen Patientenakten wünschen sich Pflegekräfte hier effizientere, digitale Lösungen für die tägliche Dokumentationsarbeit. Und tatsächlich könnten intelligente IT-Anwendungen die Bürokratie in der pflegerischen Arbeit verringern, organisatorische Prozesse optimieren und so viel kostbare Zeit einsparen. Zeit, die dem einzelnen Menschen zugutekommen würde.
Auch eine bessere digitale Vernetzung von Pflegenden, Ärzten, Krankenhaus, ambulanten Pflegediensten, pflegenden Angehörigen und den Krankenkassen wäre wünschenswert. Denn so könnten Patienteninformation deutlich leichter und schneller ausgetauscht werden, was wiederum Zeit für den Menschen bedeutet. Viele tolle Ideen existieren bereits im Bereich Digitalisierung in der Pflege, jedoch hapert es noch an der Umsetzung.
8. Pflegende Angehörige entlasten durch externe Dienstleister
Viele Menschen pflegen ihre bedürftigen Eltern in deren Haus. Doch auch wenn sie es gern tun, fühlen sich viele Pflegende oft wie in einem kräftezehrenden Spagat zwischen der Betreuung der Eltern, dem Job und den Verpflichtungen der eigenen Familie gegenüber. Kurzum: Sie sind überlastet. Eine ideale Pflege muss so organisiert sein, dass Angehörige zwar mithelfen, aber unter der Pflege und ihren sonstigen Aufgaben nicht zusammenbrechen.
Hier gibt es aktuell beispielsweise die Möglichkeit, dass sich Angehörige die Pflege mit einem ambulanten Pflegedienst teilen. Auch können ambulante Betreuungsdienste eingeschaltet werden, die Angehörigen bestimmte Aufgaben im Haushalt oder in der Betreuung abnehmen.
9. Nachbarschaftshilfe für ein besseres Miteinander
Um ältere Menschen mit eingeschränkter Selbstständigkeit im eigenen Zuhause zu unterstützen, gäbe es auch die Möglichkeit, eine Nachbarschaftshilfe aufzubauen. Wird diese gut organisiert, können sich freiwillige junge Helfende in der Nachbarschaft zu einem gewissen Teil um einen Bedürftigen kümmern. Sie könnten den Senioren etwas Gesellschaft leisten oder kleine Botengänge wie den Einkauf übernehmen. So könnte gerade die Einsamkeit von älteren Menschen abgemildert werden, die allein zu Hause leben und deren Kinder weit entfernt wohnen. Ein größeres ehrenamtliches Engagement in der Nachbarschaft würde zu einem stärkeren Wir-Gefühl führen. Sich als Teil einer Gemeinschaft zu fühlen, ist für den Menschen als soziales Wesen von großer Bedeutung.
11. Private Pflegevorsorge: Sparen, Immobilien, private Zusatzversicherung
Um im Pflegefall gut versorgt werden zu können, ist es wichtig, schon früh finanzielle Rücklagen dafür zu bilden. Denn der Eigenanteil der Betreuung in einem Pflegeheim liegt derzeit bei etwa 2.000 Euro und wird angesichts der Pflegeinflation, die deutlich höher liegt als die allgemeine Inflationsrate, noch weiter stark ansteigen. Weil Rente und Bezüge aus der gesetzlichen Pflegeversicherung immer seltener ausreichen, um die steigenden Pflegekosten zu decken, ist es sinnvoll, rechtzeitig privat vorzusorgen. Dies kann beispielsweise über den Kauf einer eigenen Immobilie, ein angespartes Vermögen oder eine private Pflegezusatzversicherung geschehen.
12. Mehr Teilzeitarbeit ermöglichen
Zwar arbeiten hierzulande bereits 65 % der Pflegekräfte in Teilzeit. Doch wäre es von Vorteil, wenn alle Menschen in Teilzeit arbeiten könnten. In Schweden hat man dieses Experiment gewagt. Dort arbeiten Mediziner:innen und Pfleger:innen nur noch 6 Stunden pro Tag – mit wenig überraschenden Ergebnissen. Es gibt weniger Fehltage, eine größere Zufriedenheit des Personals, eine qualitativ höherwertige Betreuung und eine größere Arbeitsmotivation. Zwar ist dieses System teurer, da mehr Personal eingestellt werden muss, jedoch wäre es ein Baustein für den Weg zu einer menschlicheren Pflege.
13. Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten fördern
Damit Fachkräfte die Pflegebedürftigen optimal versorgen und betreuen können, sollten sie über die neuesten Entwicklungen im Bereich der Pflege auf dem Laufenden gehalten werden. Das kann im Rahmen regelmäßiger Weiterbildungsmaßnahmen geschehen.
Präsentiert in Partnerschaft mit der vigo Krankenversicherung.