Anämie
Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten.
Bei einer Blutarmut (Anämie) denken viele Menschen zuerst an halbleere, rote Rohrsysteme, in denen statt einem reißenden Blutstrom ein leicht plätscherndes Rinnsal fließt. Zum Glück ist dies nicht der Fall. Halbleere Adern sind augenblicklich tödlich und wir wären über 25% weniger Menschen auf dieser Welt.
Bei Blutarmut geht es nicht um den absoluten Mangel an Blut, sondern darum, dass das Blut weniger von dem roten Blutfarbstoff Hämoglobin enthält.
In diesem Beitrag erfahren Sie, was Anämie ist und welche Arten es gibt, wie Sie die Symptome erkennen können und wie Sie Anämie behandeln können.
Anämie Definition
Die Hauptaufgabe der Erythrozyten (roten Blutkörperchen) ist es, in der Lunge Sauerstoff aufzunehmen, ihn mit dem Blutstrom in jeden Winkel des Körpers zu transportieren und auf dem Rückweg Kohlendioxid mitzunehmen, das dann über die Lunge ausgeatmet wird.
Dazu enthält jedes Blutkörperchen Hämoglobin (den roten Blutfarbstoff). Im Hämoglobinmolekül ist das Häm, eine eisenhaltige Substanz, die Sauerstoff binden kann.
Eine Anämie, zu Deutsch Blutarmut, liegt vor, wenn im Blut zu wenig Hämoglobin und/oder roten Blutkörperchen vorhanden sind.
Anämie Symptome
Haben wir zu wenig Hämoglobin, wird unser Körper nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Dies kann zu unterschiedlichen Symptomen führen.
Symptomatisch wird eine Anämie zumeist schleichend und unspezifisch durch:
- Auffallende Blässe
- Müdigkeit und Konditionsschwäche
- Konzentrationsmangel
- Atemnot
- Kopfschmerzen
- Herzklopfen
Je nach Ursache der Anämie, kann die Ursache weitere Beschwerden auslösen. Z.B. kann ein Eisenmangel eine Anämie auslösen.
Des Weiteren führt Eisenmangel aber auch zu Symptomen wie Rissen an den Mundwinkeln, brüchigen Fingernägeln oder chronischen Juckreiz. Diese Symptome haben nichts mit der Anämie zu tun, können aber parallel auftreten.
Anämie Ursachen
Die Ursachen für Anämien können vielfältig sein und auch zusammenspielen. Grundsätzlich hat eine Anämie Ihre Ursache entweder darin, dass die Bildung des Blutes gestört ist oder dass die roten Blutkörperchen zu schnell abgebaut werden, bzw. verloren gehen (z.B. bei Verletzungen).
Gestörte Bildung von roten Blutkörperchen
Wie fast alle Zellen in unserem Körper, leben die roten Blutkörpechen nicht so lange wie wir. Nach rund 120 Tagen wird ein rotes Blutkörperchen abgebaut und durch ein neues ersetzt. Bei der kontinuierlichen Bildung von neuem Blut können Probleme auftreten.
Eisenmangelanämie
Sie ist mit 80% die häufigste Anämie. Meist entsteht sie, wenn man nicht genug Eisen über die Nahrung aufnimmt. Eisen ist z.B. in tierischen Lebensmitteln (Fleisch, Innereien, Eiern) und Hülsenfrüchten (Bohnen, Kichererbsen) enthalten.
Da Eisen aus tierischen Produkten einfacher aufzunehmen ist, als aus pflanzlichen Lebensmitteln, rutschen Veganer leichter in einen Eisenmangel. Weitere Risikogruppen sind Menschen mit einem erhöhten Bedarf, etwa in der Schwangerschaft, beim Sport oder Kinder im Wachstum.
Eisen ist ein wichtiger Bestandteil von Hämoglobin. Bei einem Mangel an Eisen, wird weniger Hämoglobin gebildet. Obwohl ausreichend rote Blutkörperchen vorhanden sind, enthält jedes weniger Hämoglobin und kann entsprechend weniger Sauerstoff transportieren.
Perniziöse Anämie und Folsäuremangelanämie
Folsäure und Vitamin B12 sind für die Vermehrung von Zellen unentbehrlich. Fehlen diese beiden Vitamine ist die Herstellung von DNS gestört und es werden weniger Blutkörperchen gebildet.
Um diesen Mangel auszugleichen, sind die roten Blutkörperchen, die gebildet werden, größer und enthalten mehr Hämoglobin. Dadurch können sie mehr Sauerstoff transportieren.
Das Problem besteht weiter darin, dass die Milz alle Blutkörperchen aus dem Blut filtert, die nicht normal sind. Bei ihrer verbesserten Leistungsfähigkeit leben die roten Blutzellen also deutlich kürzer.
Ursache für einen Mangel an Folsäure oder Vitamin B12 ist ebenfalls eine unzureichende Aufnahme durch die Ernährung, insbesondere bei einem verstärkten Bedarf.
Gut zu wissen: Vitamin B12 können Menschen nur aus tierischen Lebensmitteln aufnehmen. Algen und Pilze enthalten zwar auch Vitamin B12, doch diese Varianten können wir für unsere Stoffwechselprozesse nicht nutzen.
Folsäure wiederum ist ein Vitamin, das besonders in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten ist. Gute Folsäure-Lieferanten sind Nüsse, Vollkornprodukte und grüne Blattgemüse.
Renale Anämie
Die Nieren säubern nicht nur unser Blut, sie messen auch den Sauerstoffgehalt im Blut. Ist dieser zu niedrig, schütten sie das Hormon Erythropoetin aus. Erythropoetin regt das Knochenmark an, mehr rote Blutkörperchen zu bilden.
Bei schweren Nierenerkrankungen schafft die Niere es nicht mehr, ausreichend Erythropoetin herzustellen. Dadurch bildet das Knochenmark weniger Erythrozyten und es kommt zur Anämie.
Bei Dialysepatienten verstärkt das Blutwaschen die renale Anämie noch.
Kleiner Exkurs: Die Funktionsweise der Niere machen sich Sportler beim Höhentraining zunutze. Durch den Sauerstoffmangel ab ca. 2.600 Metern regt die Niere über Erythropoetin die Bildung von mehr roten Blutkörperchen an. Mehr Blutkörperchen können die Muskeln später besser mit Sauerstoff versorgen.
Alternativ schlafen heutzutage viele Athleten in einem Zelt mit künstlichem Sauerstoff. Das hat den Vorteil, dass sie tagsüber in normaler Höhe trainieren können.
Aplastische Anämie
Eine schwere Form der Blutarmut wird durch ein Versagen des Knochenmarks – das Gewebe, welches unser Blut bildet – verursacht. Im Knochenmark sitzen die Stammzellen, aus denen alle Blutzellen hervorgehen (weiße und rote Blutkörper sowie Blutplättchen). Stammzellenerkrankungen sind jedoch sehr selten.
Eine weitere Möglichkeit sind Tumore, wie z.B. Leukämie. Bei Leukämie produzieren die Stammzellen besonders viele unreife weiße Blutkörperchen und schaffen es nebenbei nicht mehr, genug rote Blutkörperchen und Blutplättchen zu bilden.
Anämie durch externe Noxen
Die Bildung der roten Blutkörperchen kann auch durch externe Schadstoffe (Noxen) vermindert werden wie chemische Substanzen, Medikamente, Infektionen, hohe radioaktive Strahlung. Aber auch Allergien, Tumore oder eine Leukämie können die Erythrozytenbildung hemmen.
Verstärkter Abbau oder Verlust von roten Blutkörperchen
Hämolytische Anämie
Zu Blutarmut kann es auch kommen, wenn zu viele Erythrozyten abgebaut bzw. zerstört werden. Ursächlich dafür können sein:
- Künstliche Herzklappen: Können Erythrozyten mechanisch zerstören.
- Transfusion von nicht blutgruppengleichem Fremdblut: Das Immunsystem erkennt eine andere Blutgruppe nicht als körpereigen an und zerstört dessen Blutzellen.
- Autoimmunerkrankung: Das Immunsystem zerstört die eigenen Blutkörperchen (AIHA)
- Vergrößerte Milz: Die Milz filtert alle roten Blutkörperchen aus dem Blut, die nicht gesund und funktionsfähig sind. Ist die Milz vergrößert, kann es sein, dass sie zu viel ausfiltert.
- Nierenversagen
- Infektionen, z.B. Malaria
- Giftige Substanzen, z.B. Schlangengift, Arsen
- Medikamente
- Genetische bedingte Defekte der Erythrozyten
- Störungen im Zellstoffwechsel der Erythrozyten
- Genetische bedingte Zellverformungen, z.B. Sichel- und Kugelzellanämie
Blutungsanämie
Eine besondere Form der Anämie liegt dann vor, wenn die Blutarmut durch akuten (schwere Verletzung, Operationen) oder chronischen (Tumore, Hämorrhoiden, starke Menstruation) Blutverlust hervorgerufen wird. Im zweiten Falle ist es dringend erforderlich, eine Differentialdiagnose vorzunehmen, da sich hinter den chronischen Blutverlusten eine bösartige Tumorerkrankung verbergen kann.
Anämie Diagnose
Laboruntersuchungen sind das diagnostischen Mittel der Wahl, um den Verdacht auf eine Anämie zu erhärten:
- Großes Blutbild
- Eisenstatus
- Gegebenenfalls Knochenmarkuntersuchung
Um die Schwere der Anämie zu bestimmen, orientiert sich der Arzt in erster Linie am Wert des Hämoglobins im Blut, da dieses Molekül die wichtige Aufgabe des Sauerstofftransports im Körper hat.
Ein ausgewachsener, gesunder Mensch verfügt in seinen fünf bis sechs Litern Blut über ungefähr 25 Billionen Erythrozyten mit insgesamt etwa 650 Gramm Hämoglobin.
Sinkt die Hämoglobinkonzentration, die Erythrozytenzahl und/oder der Hämatokrit unter die alters- und geschlechtsspezifischen Referenzwerte, liegt eine Anämie vor.
Es gibt aber auch spezielle Formen der Anämie, bei der nur der Hämoglobinwert vermindert ist, während die roten Blutkörperchen oder der Hämatokrit normale Werte zeigen. Der Hämatokrit bezeichnet das Verhältnis des Volumens der Blutzellen zum Gesamtvolumen des Blutes.
Da die Anämien sich in ihrer Pathogenese sehr unterscheiden, ist neben der Blutuntersuchung, die den Verdacht auf eine Anämie durch eine zu geringe Erythrozytenzahl und eine zu geringe Hämoglobinkonzentration bestätigt, eine eingehendere Diagnostik notwendig.
Der Arzt wird die verschiedenen Bestandteile des Blutes genauer bestimmen, darunter die für die Blutbildung besonders wichtigen Substanzen wie
- Eisen
- Ferritin
- Vitamin B12
- Folsäure
Liegt ein zu geringer Wert an neugebildeten roten Blutkörperchen (Retikulozyten) vor, deutet das auf eine Schädigung des Knochenmarks, das dann weiter untersucht werden muss (z.B. durch eine Biopsie).
Liegt der Wert an neugebildeten roten Blutkörperchen (Retikulozyten) oberhalb der Norm, kann ein zu hoher Abbau an Erythrozyten dafür ursächlich sein.
Unter dem Mikroskop können ferner Blutausstriche auf Zellverformungen (Sichelzellanämie) untersucht werden.
Anämie Behandlung
Anämien sollten nur dann sofort behandelt werden, wenn die diagnostische Abklärung zu sicheren Ergebnissen gelangt ist. Nur in seltenen Fällen ist eine Anämie so ausgeprägt, dass mit Bluttransfusion interveniert werden muss, bevor eine Diagnose über die Natur der Anämie gestellt worden ist.
Die spezielle Therapie richtet sich nach den Ursachen der Anämie, die häufig multifaktoriell sind. Auf jeden Fall muss der Eisenstatus vor und während der Therapie kontrolliert werden.
In den vergangenen 30 Jahren haben sich die therapeutischen Optionen zu einer Behandlung der Anämien entscheidend verbessert. Blutprodukte sind mittlerweile verfügbar und sicher.
Erythropoetin hat die Lebensqualität für Dialysepatienten und Chemotherapie-Patienten positiv verändert. Wobei allerdings die Erythropoetin-Gabe bei Krebspatienten einer Abwägung seitens des Arztes und des Patienten bedarf, da sie auch negative Auswirkungen auf das Krebsgeschehen haben kann.
Patienten mit erblichen Erkrankungen der Globinsynthese oder mit Mutationen der Globingene (z.B. Sichelzellanämie) werden in der Zukunft von Gentherapien profitieren können.
Die aplastische Anämie (Ausfall der Blutbildung im Knochenmark) kann durch eine Stammzelltransplantation mittlerweile geheilt werden.
Eisenmangelanämie Behandlung
Die häufigste Ursache für eine Anämie ist Eisenmangel.
Dem lässt sich bei lebensstilbedingtem Eisenmangel – andere Ursachen für den Eisenmangel müssen ausgeschlossen sein – entgegenwirken, indem vermehrt Nahrungsmittel gegessen werden, die reich an Eisen sind.
Damit aber der Körper das Eisen überhaupt aufnehmen kann, sind auch Vitamin B12 und Folsäure in der Nahrung notwendig. Eine ausgewogene Ernährung ist daher die beste Vorsorge.
Bei einer diagnostizierten Blutarmut wird der Arzt zunächst die Ernährungsgewohnheiten in Erfahrung bringen und eventuell eine Änderung empfehlen. Grundsätzlich ist auf eine ausgewogene und damit auch eisenhaltige Ernährung zu achten.
Eisen ist vor allem in Fleisch, Innereien, Getreide, Brot, Gemüse und Hülsenfrüchten reichlich enthalten. Aus tierischer Nahrung kann der Körper Eisen besser aufnehmen als aus pflanzlicher Nahrung. Vitamin C fördert die Eisenaufnahme.
Eisenpräparate aus der Apotheke oder dem Drogeriemarkt sollten (wie alle Nahrungsergänzungsmittel) nur nach vorheriger Absprache mit einem Arzt eingenommen werden. Besonders bei Kleinkindern besteht die Gefahr einer akuten Eisenvergiftung mit heftigem Erbrechen, starken Magenschmerzen und Durchfall. Bei hohem Flüssigkeitsverlust kann ein Schock zum Tod führen.
Eisen ist ein Vitalstoff. Es ist für die Blutbildung, den Sauerstofftransport durch das Blut sowie zur Kräftigung der Abwehr notwendig. Von den 4 bis 5 Gramm Eisen im Körper eines Menschen sind 2,5 Gramm im Hämoglobin gebunden. Der tägliche Eisenbedarf eines gesunden Menschen beträgt ein bis fünf Milligramm.
Es sollten ab dem achten Lebensjahr allerdings nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zehn bis 15 Milligramm sein, da nur ein Bruchteil des Eisens vom Darm aufgenommen wird.
Während einer Schwangerschaft (30 Milligramm) und in der Stillzeit (20 Milligramm) ist der Eisenbedarf erhöht.
Wenn Eisenpräparate eingenommen werden, sollte dies ein bis zwei Stunden vor der Mahlzeit geschehen. Bei Nebenwirkungen wie Magen- oder Darmbeschwerden muss der Arzt benachrichtigt werden.